Reiner und Elisabeth Kunze sind nach ihrer Ausreise aus der DDR 1977 nach Obernzell-Erlau gezogen. Die sie umgebende Landschaft und Natur haben Kunzes Dichtung seither geprägt. Den Blick aus seinem Arbeitszimmer ins Donautal hat Reiner Kunze in vielen Fotografien zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten mit der Kamera eingefangen und die umfangreiche Bilderserie in den 1990er Jahren auch zu einer Ausstellung zusammengefügt. Mit einem dieser Bilder aus dem Archiv der Kunze Stiftung von 1994, das einen Blick ins Donautal am Morgen zeigt, senden wir einen besinnlichen Geburtstagsgruß, verbunden mit dem Gedicht
IN ERLAU, WORTFÜHLIG
Wir schlafen, die wange am fluß,
an der unbeirrbarkeit des wassers
Doch immer öfter liegen wir wach,
um halt zu finden an der stille
Abseits der wörter
von den wühltischen der sprache
Vor dem haus, in der astgabel der eibe,
brütet die amsel unhörbar gesang aus,
und die glocke von Pyrawang jenseits des stroms
bucht ab von der zeit
(Reiner Kunze, 1996, in: Reiner Kunze, ein tag auf dieser erde. gedichte, Frankfurt am Main, 1998, S. 9)