Die Stiftung
DICHTER IM EXILAn ihren sohlen haftet
die erde ihrer spracheGewiß, der duft warmen brotes
erbarmt sich ihrerDoch wer weiß schon, was das heißt:
– 1982
mit dem wort am leben hängenPublikation
„DICHTER IM EXIL“ – 1982
Reiner Kunze: gedichte. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a. M. 2023, S. 204. Erstmals veröffentlicht in: Reiner Kunze, eines jeden einziges leben. gedichte, Frankfurt a. M. 1986.
Die Reiner und Elisabeth Kunze Stiftung wurde 2006 gegründet. Sie soll sicherstellen, dass historisch relevante Bild-, Ton- und Schriftdokumente mit Bezug zum Stifterehepaar sowie Werke der Bildenden Kunst und andere zeitgeschichtlich belangvoller Materialien nicht verstreut werden oder verlorengehen.
AUF DEM VORMARSCHErst fassen sie fuß, dann
nach den köpfen(Hindert sie die schwelle, kehren sie
– 1980
die reihenfolge um)Publikation
„AUF DEM VORMARSCH“ – 1980
Reiner Kunze: gedichte. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a. M. 2023, S. 177. Erstmals veröffentlicht in: Reiner Kunze, auf eigene hoffnung. gedichte, Frankfurt a. M. 1981.
KASSIBERUnd warum gibt es immerfort noch so viel
schreckliches Schweigen,
das auf kein Warum eine Antwort gibt?
Jan TwardowskiDas schweigen ist die antwort,
– 2016
die frage das verhängnis,
das denken das gefängnisPublikation
„KASSIBER“ – 2016
Reiner Kunze: gedichte. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a. M. 2023, S. 396. Erstmals veröffentlicht in: Reiner Kunze, die stunde mit dir selbst. gedichte, Frankfurt a. M. 2018.
Stiftungszweck
Aus der Satzung der Stiftung vom 23.10.2013, §2:
Zweck der Stiftung ist die Förderung von Literatur, Kunst, Wissenschaft.
Der Stiftungszweck wird insbesondere durch folgende Maßnahmen verwirklicht:
Umwidmung des Anwesens Am Sonnenhang 19, 94130 Obernzell-Erlau, nach dem Tode des Letztversterbenden der Stifter in ein Ausstellungshaus zur Nutzung für literarische, wissenschaftliche oder künstlerische Zwecke durch eine steuerbegünstigte Institution, die Gemeinde Obernzell, den Landkreis Passau, den Bezirk Niederbayern, den Freistaat Bayern oder durch die Stiftung selbst. Dabei ist sicherzustellen, dass die gesellschaftlich relevanten Dokumente und Kunstwerke, die sich im Lauf der Jahrzehnte im Umfeld der Bücher Reiner Kunzes angesammelt haben, nicht verlorengehen oder verstreut werden, sondern in Dauerausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. In den Ausstellungen ist das in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland Erlebte, aus dem die Bücher hervorgegangen sind, sichtbar zu machen. Die Dokumente sollen Skepsis gegenüber gesellschaftlichen Totalentwürfen wecken und dazu beitragen, Antikörper gegen jede Art ideologischer Indoktrination zu bilden. Die Präsentation der Kunstwerke soll nachvollziehbar machen, woher die Kraft kam zu widerstehen.
Darüber hinaus kann die Stiftung weitere Aktivitäten entfalten, die dem Stiftungszweck entsprechen, z.B. Abhalten von Symposien, Veranstaltungen von Lesungen und Ausstellungen oder die Vergabe von Stipendien. In diesem Fall soll der Stiftung die vermittelnde Pflege des literarischen und fotografischen Werkes von Herrn Reiner Kunze ein besonderes Anliegen sein. Eine Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, das den Teil des literarischen Nachlasses von Reiner Kunze verwalten wird, der nicht in dem Besitz der Reiner und Elisabeth Kunze-Stiftung übergegangen ist, ist anzustreben.
Die Stiftung verfolgt damit ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke"' der Abgabenordnung. Die Stiftung kann auch anderen, ebenfalls steuerbegünstigten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen oder einer geeigneten öffentlichen Behörde finanzielle oder sachliche Mittel zur Verfügung stellen, wenn diese Stellen mit den Mitteln Maßnahmen nach § 2 fördern.
DAS WESEN MENSCHGekreuzigt, enthauptet, vor aller welt augen
lebendig verbrannt ...
Abendnachrichten, drittes jahrtausend nach Christi
geburtMit wachsender entfernung
treiben immer schneller von der erde fort
trilliarden sonnen in milliarden galaxienSie fliehen uns, als wüßten sie,
– 2015
vor wem sie fliehenPublikation
„DAS WESEN MENSCH“ – 2015
Reiner Kunze: gedichte. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt a. M. 2023, S. 388. Erstmals veröffentlicht in: Reiner Kunze, die stunde mit dir selbst. gedichte, Frankfurt a. M. 2018.
Geschichte der Stiftung seit der Gründung im Jahr 2006
Die Reiner und Elisabeth Kunze Stiftung wurde 2006 gegründet und sieht drei Entwicklungsphasen vor: die Phase zu Lebzeiten der Stifter, in der die inhaltlichen, organisatorischen, finanziellen und – soweit bereits möglich – baulichen Voraussetzungen für das Ausstellungshaus geschaffen werden, die Phase nach Ableben der Stifter, in der der Umbau vollendet und die erste Dauerausstellung eingerichtet wird, und die Phase, in der das Ausstellungshaus für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird.
Phase 1
Inhaltlich
Der Bestand des Stiftungsarchivs wurde 2012/13 zwischeninventarisiert. Dafür wurde der Archivbestand gesichtet, nach historischer, literaturwissenschaftlicher und biographischer Bedeutung bewertet, teilweise kommentiert, geordnet und durch amtliche und private Dokumente, Kunstwerke, Briefwechsel, Zeitzeugenbriefe, audiovisuelle Medien und Bücher ergänzt. Von 2019 bis 2022 sind große Bestände des Stiftungsarchivs an der Universität Passau digitalisiert und verzeichnet worden.
Organisatorisch ist die Stiftung vorangekommen, indem sie sich durch eine amtlich genehmigte Neufassung der Satzung 2013 eine familienunabhängige Struktur gegeben hat und für den Stiftungsrat in den Bereichen Literaturwissenschaft, Ausstellungswesen und Finanzen kompetente Stiftungsratsmitglieder hinzugewinnen konnte.
Baulich
In baulicher Hinsicht entstanden in einem einjährigen Prozeß, gefördert von der Sparkasse Passau, die Entwurfspläne für den Hausumbau, für den das vielfach preisgekrönte Architekturbüro Brückner & Brückner, Tirschenreuth und Würzburg, gewonnen werden konnte. Der erste Bauabschnitt (ca. 40% des Gesamtumbaus) wurde mit finanzieller Unterstützung des Kulturfonds Bayern 2012 verwirklicht. Außerdem wurde auf dem Stiftungsgelände ein traditioneller koreanischer Poesie-Pavillon errichtet, gestiftet von der koreanischen Germanistin, Dichterin und Übersetzerin Prof. Dr. Young-Ae Chon und Familie.
Finanziell
Finanziell ist die Stiftung insofern vorangekommen, als das von dem Stifterpaar eingebrachte Grundstockvermögen durch eine Reihe von besonders dankenswerten kleineren Zuwendungen und einer überaus ermutigenden Zustiftung der Friede Springer Stiftung aufgestockt werden konnte.
Reiner und Elisabeth Kunze über das Vermögen der Stiftung (2016):
„Um das bisher für die Stiftung Geleistete und künftig noch zu Leistende vollenden und die Stiftung zukunftsfest machen zu können, bedarf es noch einer entscheidenden Aufstockung des Vermögensstocks. Als Stifter, die im Hinblick auf den Einsatz ihrer Ersparnisse bis an die Grenze des Verantwortbaren gegangen sind und nicht mehr lange werden aktiv sein können, hoffen wir deshalb noch einmal auf Gleichgesinnte, wie wir in der DDR auf Gleichgesinnte gehofft haben – damals wie heute aus Leidenschaft für die Freiheit. Wir sind für jede finanzielle Unterstützung und für jede Empfehlung, die der Stiftung eine Tür öffnet, dankbar.
Jede Zuwendung wird schriftlich bestätigt und kann steuerlich geltend gemacht werden. Sollte sich eine Mäzenin oder ein Mäzen, sei es eine Person, eine Institution oder Firma, der Stiftung in einer Weise annehmen, dass ihre Zukunft aus heutiger Sicht finanziell als gesichert gelten kann, würden wir das Stiftungshaus nach der Zustifterin oder dem Zustifter benennen und ihren Namen in den Stiftungsnamen integrieren. Die Stiftung würde dann heißen „Reiner und Elisabeth Kunze Stiftung im [XY]-Haus“.“
Phase 2
Nach dem Tod des letztverstorbenen Stifters wird das Stiftungshaus Am Sonnenhang 19 in Obernzell-Erlau in ein Ausstellungs- und Dokumentationshaus umgewandelt werden. Neben konzeptionellen Arbeiten werden auch größere bauliche Maßnahmen erforderlich sein.
Phase 3
Die Phase 3 der Stiftungsgeschichte wird mit der Eröffnung des Ausstellungs- und Dokumentationshauses Am Sonnenhang 19 in Obernzell-Erlau beginnen, das dann „eine Stätte der Zeitzeugenschaft und ein Ort des Schönen“ sein wird.